Wien - Immer noch als "Jahrhundertfluten" bezeichnete Hochwasserereignisse könnten in Zukunft wesentlich häufiger auftreten. Das besagt eine im Fachjournal "Nature Climate Change" veröffentlichte Studie, an der Wissenschafter des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA ) in Laxenburg bei Wien mitgearbeitet haben. Kernaussage: Das Risiko extremer Überschwemmungen in Europa könnte sich bis 2050 mehr als verdoppeln und die Schadenssumme nach Hochwässern sogar auf 23,5 Milliarden Euro verfünffachen.

In die Studie seien Expertisen aus den Bereichen Hydrologie, Wirtschaft, Mathematik und Klimawandel eingeflossen. "Damit konnten wir zum ersten Mal umfassend das kontinentale Hochwasserrisiko bewerten und die verschiedenen Anpassungsmöglichkeiten vergleichen", sagte Brenden Jongman vom Institut für Umweltstudien in Amsterdam, der die Studie koordiniert hat, in einer Aussendung des IIASA.

Steigende Schadenssummen

Den Berechnungen zufolge wird die Wahrscheinlichkeit für so extreme Hochwasserereignisse wie jenes von 2013 von derzeit durchschnittlich einmal in 16 Jahren bis 2050 auf einmal alle zehn Jahre steigen. Die Schadenssumme durch Fluten in der EU lag zwischen 2000 und 2012 bei durchschnittlich 4,9 Mrd. Euro pro Jahr. Die Wissenschafter rechnen damit, dass sich die Schäden bis 2050 auf 23,5 Mrd. Euro erhöhen könnten.

Dabei werden zwei Drittel des erhöhten Risikos durch das sozioökonomische Wachstum verursacht, da mehr Gebäude und Infrastruktur durch Hochwasser zerstört werden können. Das restliche Drittel geht auf das Konto des Klimawandels, der die Niederschlagsmuster in Europa verändert.

Risikoberechnung erfordert Erkennen der Zusammenhänge

Erstmals seien in der Arbeit die überregionalen Abhängigkeiten von Hochwässern modelliert worden, sagte Stefan Hochrainer-Stigler. Dass bei einem zunächst lokalen extremen Hochwasser auch andere Gebiete und Länder betroffen sein können, sei bei der Risikoeinschätzung bisher nicht berücksichtigt worden. "Aber ein Hochwasser kennt keine politischen Grenzen, Flüsse fließen quer durch Europa und stehen in Beziehung zueinander", so Hochrainer-Stigler.

Wenn man diesen großen Zusammenhang nicht berücksichtige, werde das Risiko unterschätzt, betonte der Wissenschafter. Normale Versicherungslösungen würden dafür nicht reichen, weil sie nur voneinander unabhängige Risiken zusammenführen würden. Als Beispiel nannte Hochrainer-Stigler Feuerversicherungen, wo es einmal hier, dann wieder dort brennt, aber praktisch nie großflächig. Bei extremen Hochwässern würden dagegen große Schäden über weite Gebiete auf einmal auftreten.

Aus diesem Grund müsse man auf eine größere Belastung von Instrumenten wie dem Europäischen Solidaritätsfonds (EUSF) vorbereitet sein. Der Fonds wurde 2002 von der EU-Kommission gegründet, um EU-Länder nach Naturkatastrophen rasch finanziell unterstützen zu können. Laut Studie müsse man besser darauf vorbereitet sein, dass die Hilfsmittel gleichzeitig für viele Regionen ausgezahlt werden müssen. (APA/red, derStandard.at, 3.3. 2014)